Der EU-Ministerrat hat sich weder für noch gegen die Zulassung von Futter-Genmais entschieden – und durch seine Unentschlossenheit den Weg für eine stark umstrittene Sorte aus den USA frei gemacht. Von Christoph B. Schiltz, Brüssel
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Die deutsche Regierung ist in der Diskussion um Genmais zerstritten
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Zum ersten Mal seit 16 Jahren steht in der Europ?ischen Union wieder eine neue Sorte Genmais für kommerziellen Anbau vor der Zulassung. Bei einer Sitzung der EU-Staaten kam die erforderliche Mehrheit gegen eine Anbauerlaubnis des neuen umstrittenen Genmais 1507 des US-Herstellers Pioneer nicht zustande, erkl?rte der griechische Au?enminister Evangelos Venizelos als Vorsitzender des Treffens in Brüssel.
Nun ist die EU-Kommission nach eigenen Worten verpflichtet, die neue Genmaissorte zuzulassen, weil die Europ?ische Beh?rde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zuvor in insgesamt sechs Gutachten keine wissenschaftlichen Einw?nde erhoben hatte. Wann es dazu kommt, blieb vorerst unklar. Insbesondere Frankreich als entschiedener Gegner des neuen Genmais versucht eine Zulassung mit allen Mitteln zu verhindern. “Ich wei?, das ist eine hei?e politische Kartoffel”, sagte der zust?ndige EU-Gesundheitskommissar Toni Borg.
Mehrheit kann keinen Stopp erreichen
Insgesamt votierten 19 Staaten gegen die Anbauerlaubnis – trotzdem muss die EU den Anbau durchwinken. Der Grund: Wegen der unterschiedlichen Stimmengewichte der einzelnen Mitgliedsl?nder kam letztlich nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit gegen die Zulassung zustande.
Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten. “Es gibt in der Bundesregierung ganz unterschiedliche Auffassungen”, sagte der Staatsminister im Ausw?rtigen Amt, Michael Roth (SPD). W?hrend die CDU-Ministerien und das Kanzleramt dafür sind, sprechen sich das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium und die SPD-geführten Ministerien dagegen aus.
Der genver?nderte Mais der US-Saatgutfirma Dupont Pioneer ist resistent gegen bestimmte Pflanzenschutzmittel und Mottenlarven. Verwendet werden k?nnte der Mais in Tierfutter und Biogasanlagen. Kritiker sehen Gefahren für die Umwelt. “Ein generelles Anbauverbot in der EU für Mais 1507 ist die einzig praktikable M?glichkeit, um die bedrohte Vielfalt in der Natur zu schützen”, schrieb der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in einer Mitteilung vor der Abstimmung.
Die EU-Beh?rde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) geht zwar ebenfalls von einem “Risiko” für bestimmte Schmetterlings- und Mottenarten aus, wenn diese über Jahre hinweg hohen Konzentrationen von 1507-Pollen ausgesetzt sind. Insgesamt h?lt die Efsa den Anbau aber für vertretbar – auf diese Einsch?tzung beruft sich auch die EU-Kommission in ihrem Vorschlag.
Genmaissorte bereits zugelassen
Bis heute ist erst eine Sorte gentechnisch ver?nderter Mais, MON 810, zum kommerziellen Anbau in Europa zugelassen. Acht EU-L?nder, darunter Deutschland, haben auf der Basis von so genannten Schutzklauseln den Anbau verboten. Anders als in Frankreich wurde dieses Anbauverbot bisher gerichtlich nicht beanstandet.
Ob Berlin auch die neue Sorte Genmais 1507 verbieten kann, wenn sie erst einmal in der EU allgemein zugelassen ist, bleibt offen. Dazu müsste wissenschaftlich belegt werden, dass der Mais ein ernstes Risiko für Mensch und Umwelt darstellt. Genau dies hatten die Experten der EFSA aber in mehreren Gutachten ausgeschlossen. Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte an, sein Ziel w?re, dass jedes Bundesland im Rahmen von “Regionalklauseln” über eine Zulassung entscheiden kann.
Durch eine ?nderung im Erbgut produziert Genmais 1507 Insektengift gegen Sch?dlinge wie Maiszünsler. Der Bund für Umwelt und Natur (BUND) betonte, das selbst produzierte Insektengift schade Schmetterlingen und Bienen. Greenpeace erkl?rte, grundlegende Daten für eine Risikoauswertung der neuen Maissorte fehlten.
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